Jeder, der auch nur einmal in der Türkei war, hat sie schon gesehen: die kleinen Ketten in allen Farben und Formen, mit denen die türkischen Männer oft gedankenverloren spielen. Eigentlich ist es ein religiöses Symbol wie der Rosenkranz, doch nicht jeder Mann, der eine Tespih in der Hand kreisen lässt, ist auch religiös oder betet gerade damit.
Ursprünglich, so die Vermutung, stammt die Tespih aus dem buddhistischen Kulturkreis und wurde von muslimischen Reisenden oder Eroberern übernommen, von denen wiederum die christlichen Kreuzfahrer ihn als Rosenkranz nach Europa gebracht haben. In der Anfangszeit des Islam sollen Gläubige an Stelle eines Tasbih die Namen Gottes mit Hilfe kleiner Steine oder mit den Fingern rezitiert haben. Daher lehnen ihn Wahhabiten (die vorherrschende Richtung in Saudiarabien) als unislamische Neuerung ab.
Dies tut aber der Beliebtheit der Tespih in der Türkei keinerlei Abbruch. Sie gilt sogar als Symbol der Männlichkeit – ein Mann ohne Tespih ist kein richtiger Mann… insbesondere wenn der Besitzer ihn demonstrativ in der Hand umherschwingt. Mit dem Islam oder einer religiösen Tradition hat dies allerdings nichts zu tun.
Eine Tesbih kann 3 x 11 jeweils durch eine kleinere Perle unterbrochene Reihenfolge bilden, die dann in einer Schnur mit 3 Perlen ausläuft. Die klassische Tesbih hat 3 x 33 Perlen, jeweils durch zwei größere Perlen oder kegelförmige Pfeiler unterbrochen. Sie läuft in eine Schnur oder größeren kegelförmigen Anhänger aus, der oft in drei Teile gegliedert ist. Das Material war ursprünglich Holz, wertvollere Tespihs waren mit Metall-einlegearbeiten verziert. Eine besondere Tespih ist aus Oltu-Stein, ein
schwarzes Mineral(Gagat oder Jett), das man in Erzurum in Ostanatolien findet, oft auch mit Silber zusätzlich verziert. Oltu ist unter anderem deswegen sehr beliebt, weil es durch die organische Struktur beim Beten warm
wird und sich leicht statisch auflädt. Ausserdem ist es bei der Förderung sehr weich und härtet erst nach und nach an der Luft aus, weswegen es sehr leicht zu bearbeiten ist. In Deutschland war er früher bekannt als „Witwenperlen“. Im 19. Jahrhundert war Gagat übrigens einer der beliebtesten Materialien für Rosenkränze. Wie Bernstein lädt sich auch Gagat elektrisch auf, wenn er gerieben wird. Der deutsche Name Gagat leitet sich von einer der Fundstellen in der Nähe des Flusses Gagae in Lykien ab.
Auch Meerschaum, dem Material, aus dem auch die berühmten Meerschaumpfeifen geschnitzt werden, Elfenbein, Glas oder besondere Holzarten sind heute noch beliebt. Oft sind die Tespihs aber – moderne Zeiten – einfach aus Plastik.
Die religiöse Bedeutung
Ursprünglich bedeutet “Tespih”etwa wie „ an jemanden denken“. Die Kette soll helfen, an Gott zu denken. Die Form dieser Gebetshaltung wird Dikr – Andacht- genannt. Dabei werden die „99 Namen Allahs“ ausgesprochen. Wer nicht alle 99 Namen im Kopf hat, kann auch die 3 islamischen Glaubensformeln aussprechen und zwar jede 33 mal und auf arabisch. “Subhan Allah”, Erhaben ist Allah, “Al-hamdulillah”, Gelobt sei der Herr, und “Allahu Akbar”, Allah ist groß. Die Kette hat daher entweder 11, 33 oder 99 Perlen. Bei der großen Tespih ist immer nach 33 Perlen eine „Trennperle“ eingefügt. Das Gebet mit dem Tespih ist keine Pflicht, sondern wird zusätzlich nach dem regulären Gebet gesprochen. In jeder Moschee hängen daher Tespihs, falls einer der Gläubigen das Bedürfnis zu einer solchen Andacht verspürt.
Tradition
Die kleinen Tespihs mit den 11 und meistens weitaus dickeren Perlen dienen allerdings fast ausschliesslich älteren Männern als „Handschmeichler“ und werden auch schon mal wie ein Schmuckstück am Handgelenk getragen. Es ist also keinesfalls ein untrügliches Zeichen für Religiosität, wenn ein türkischer Mann ohne sein Tespih das Haus nicht verlässt.
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