Die “Provence der Türkei” und “Türkische Malediven” an einem Wochenende

Nachdem wir im letzten Jahr aufgrund einer Recherche über die Region am Burdursee und eine Reportage im renommierten türkischen „Atlasdergi“ über die “lavendelduftenden Dörfer” bei Burdur eine Tour durchführten und die erste Reisegruppe überhaupt in Kuyucak Köyü waren, sollte es auch dieses Jahr wieder dorthin gehen – mit einigen Anpassungen. So machten wir uns dieses Mal für insgesamt 3 Tage auf, um die Lavendelfelder zu besuchen. Dieses Mal starteten wir 2 Wochen früher und der Lavendel stand in voller Blüte – es war ein reiner Farbenrausch.
Auch unsere “Schlafstation”, dieses Mal das Lago di Salda Hotel am Salda See, konnte mit unglaublichen Farben von strahlend weissem Strand und Seewasser in Tausend Blau- und Türkisfarben aufwarten. Der See hat nicht umsonst den Beinamen “Türk maldivler” – Malediven der Türkei. Eigentlich ist die Location am See viel zu schade für einen kurzen Abstecher. Den See muss man einfach zu jeder Tageszeit gesehen haben, die Farben sind unglaublich.
Erste Station: Kuyucak Köyü
Von Alanya aus fährt man nach Antalya und nimmt dann die Abzweigung nach Isparta – eine Frühstückspause am Gölbaşı-Restaurant am Karaçaören-Stausee ist unbedingt zu empfehlen, nicht nur wegen der leckeren Gözleme, die man dort bekommt, auch der Ausblick auf den See ist phantastisch und man sitzt toll unter Bäumen. Von dort aus sind es dann noch ca 1,5 -2 Std nach Kuyucak Köyü – der Ort ist mittels Google Maps relativ leicht zu finden, auch wenn die letzte Kreuzung zum Ort durch die gelinde gesagt kreative Strassenführung eine Herausforderung ist.

Eine professionelle Vermarktung und Werbung gibt es auch im zweiten Jahr der Tourismusförderung im Dorf nicht…. die Bewirtung und Begrüssung wird mit viel mehr Herzblut als Professionalität betrieben. Dennoch lief der Empfang durch den Koordinator der Initiative „Lavanta kokulu köy“, Ali Sağdaş, herzlich und reibungslos ab. Wichtig zu wissen: Fremdsprachenkenntnisse sollten Sie hier nicht erwarten – und auch nicht, dass jemand etwas mit Euro anfangen kann. Auch mit grossen Lira-Scheinen war die eine oder andere Bäuerin leicht überfordert, aber letztlich löste sich alles in Wohlgefallen auf…

Im Juni beginnt die Blüte, die wesentlich länger dauert als die Rosenblüte. Im Juli stehen die Lavendelfelder dann in voller Blüte, bevor Ende Juli/Anfang August dann die Ernte beginnt. Der Lavendel wird – wie die Rosen auch – von Hand geerntet und gebunden. Kuyucak ist vom Zentrum Ispartas ca 50 Kilometer entfernt, mit dem Auto kein Problem, doch auch mit dem Dolmus kommt man weiter: von Isparta nach Keçiborlu und von dort dann nach Kuyucak. Im Dorf selbst kann man bei der Frauen-Kooperative Gözleme (die typischen Teigfladen, die auf flachen Metallscheiben über offenem Feuer, gefüllt mit Käse, Kartoffeln oder Zucchini gebacken werden) zusammen mit einem Tee – auch als etwas gewöhnungsbedürftiger Lavendeltee – geniessen. Nach dem ersten Tee ging es dann hoch auf die Felder, insbesondere auf dem Feld der „Lavanta Diyari“ fanden sich unglaublich riesige Lavendelbüsche – gut einen Meter hoch und mit mindestens 2-3 Meter Umfang. Ein Paradies für Fotografen!

Im Dorf selbst wird unter einfachsten Bedingungen das Lavendelöl auf natürliche Weise gewonnen und von der Kooperative vermarktet – insgesamt werden pro Jahr etwa 500 kg Lavendelöl produziert. Im Moment kann man es nur im Dorf selbst in Hofeingängen und kleinen Verkaufsständen erwerben. Es dürfte aber nur eine Frage der Zeit sein, bis der Lavendel ähnlich vermarktet wird wie die Rosen von Isparta. Im Moment ist alles noch sehr rustikal – aber dafür umso interessanter.

 
Zweite Station – Karibikflair bei Burdur
Dieses Mal sollte es kein Risiko geben bei der Übernachtung und so wurde der doch mit 80 km recht lange Weg in Kauf genommen, um an den Saldasee bei Burdur zu gelangen und im dortigen „Lago di Salda“ Hotel – dem einzigen Hotel am See – zu übernachten und die tolle Atmosphäre und die Ruhe an dem einsam gelegenen See zu geniessen. Die Strasse, die uns im letzten Jahr mit 35 Kilometern Schotterpiste quälte, war dieses Jahr nun endlich fertig und damit weitaus komfortabler zu befahren. Aber auch dieses Mal landen wir wieder „mitten im Nirgendwo“ an diesem wunderbaren See mit seinem weissen Strand und dem tiefblauen Wasser. Das Hotel mit dem eher italienisch klingenden Namen wird von einer Familie „Stuttgarter Türken“ geführt, ein echter Familienbetrieb, der so auch irgendwo auf der schwäbischen Alb stehen könnte. Die Familie stammt aus dem Dorf am See und ist zurückgekehrt… der Name des Hotels erklärt sich auch schnell: mit den Kindern hat man am Gardasee Urlaub gemacht – Lago di Garda. Da liegt der Name Lago di Salda natürlich nahe….

Das neu renovierte Hotel ist tipptopp sauber, die Zimmer geräumig und das Personal nett und zurückhaltend. Hinter der Rezeption stehen Ethem und Özgür, die sich sichtlich über die deutschen Gäste freuen und in der leider viel zu kurzen Zeit die Gruppe mit grosser Herzlichkeit betreuen.
Özgür schlägt uns sogar vor, am Nachmittag eine Tour zu machen, damit wir die schönsten Ecken des Saldasees auch finden. Er führt uns durch stille Gässchen und Pinienwälder zu einem Strand, der wirklich seinesgleichen sucht und für mich der schönste Strand der Welt sein muss…. blendend weiss und das Wasser schillernd in strahlendem Türkis, das immer mehr zu einem tiefen Dunkeblau wird. Die satte Farbe kommt durch die Tiefe: bis zu 185 Meter tief ist der See. Gefahren lauern hier aber kaum, wenn man berüchsichtigt, dass man schnell mal bis zum Knie in der hellgrauen Tonerde (der übrigens heilende Wirkung nachgesagt wird) versackt. Die glatt gewaschenen Tonplatten wirken wie Felsen – bis man drauftritt und versinkt. Allerdings nicht allzutief – keiner versinkt hier wie im Moor, dazu ist der Ton zu fest.

Die Dünen allerdings sind fest wie Beton und man kann mit dem Auto oder sogar dem Midibus fast bis an die Wasserkante fahren… theoretisch. Denn seit dieser Saison ist der Weg abgesperrt und man hat einen kleinen Fußmarsch bis zum See zu bewältigen – etwa 300 Meter sind der Tatsache geschuldet, dass der reinweisse Sand gar zu gerne als Rennstrecke benutzt wurde. Der Blick ist traumhaft und so einen Sand habe ich noch nie gesehen – federleichte, runde Körner, dass der ganze Stand aussieht wie mit Styroporkügelchen belegt, von welchem Experten glauben, dass dieser vom im Wasser enthaltenen Magnesium gebildet wird. Tatsächlich enthält der Sand am Rand des Sees einen hohen Anteil des Minerals Hydromagnesit. Bei dem See soll es sich um einen Vulkankrater handeln. Auf der anderen Seite des Sees ist das Ufer schroffer und die Klippen sind sehr bröckelig – hier kann man schnell abrutschen und sollte eher Abstand halten….

Abends gibt es keine anderen Möglichkeiten, als im Hotel zu essen – empfehlenswert sind die frischen Forellen, die im Hotelgarten in Bassins gehalten werden. Wir geniessen aber nun erst mal die himmlische Ruhe und selbst Fahrer Mehmet, der mich am Tag vorher noch misstrauisch fragte „Was wollen wir hier? Hier ist doch nix“ ist am nächsten Morgen des Lobes voll, wie ruhig und erholsam und schön es doch hier sei…
Wer es noch uriger (oder günstiger) mag, der kann auf dem nahegelegenen Campingplatz mit Zugang zum öffentlichen Strand von Yesilova (auch schön flach, aber nicht ganz so strahlend weiss wie der “Maledivenstrand” entweder selbst zelten oder einen der direkt an der Wasserlinie gelegenen Bungalows mieten. Ein Bungalow kostet derzeit 70 TL pro Nacht für 2 Personen – das Hotel schlägt für ein Zimmer je nach Lage (See- oder Landblick) mit 125 bzw. 150 TL pro Person und Nacht zu Buche. 

Am See finden sich überall kleine, aber völlig harmlose Wasserschlangen. Es handelt sich um Natrix Tesselata, eine ungiftige Wasserschlange (Würfelnatter)– kein Grund zur Panik, die Tiere flüchten sofort von ihrem Sonnenplatz am Strand ins Wasser, wenn man sich nähert.

Dritte Station: das Lisinia Wildtierprojekt

Bei Recherchen nach einem weiteren Programmpunkt für die erste Fahrt im letzten Jahr bin ich dann auf ein ganz besonders spannendes Projekt gestossen – das Lisinia Wildtier-Rehabilitationscentrum am Burdur See, was auch dieses Jahr natürlich wieder auf dem Programm stand. Hier nimmt Tierarzt Öztürk Sarica verletzte Wildtiere auf, die ihm die Menschen bringen und pflegt sie wieder gesund. Aber nicht nur die Tiere liegen ihm am Herzen – mit ganzer Energie arbeitet er daran, den durch intensive Landwirtschaft gefährdeten Burdur See zu bewahren.

Die Geschichte von Lisinia und Öztürk Sarica, der seine Kindheit in der Natur von Yesilova bei Burdur verbrachte, begann mit WACHOLDER. Er lernte, dass der Wacholder mit nur wenig Wasser auskommt und gleichzeitig die Erde vor Erosion schützt. Durch die Genügsamkeit des Wacholders und seine Bedeutung für die Natur lernte er die Harmonie von Natur und Lebewesen schätzen und beschloss nach seinem Studium als Veterinär dazu beizutragen, die Natur zu bewahren und an die nächsten Generationen weiterzugeben.

Seit 2005 existiert das Projekt jetzt, nicht nur werden hier verletzte und kranke Tiere gepflegt. Sarica hat sich auch einem großen Thema verschrieben: dem Zusammenhang zwischen Umweltzerstörung, Umwelteinflüssen und Krebs. Auf dem Gelände, das nachhaltig bewirtschaftet wird (Solarstrom und Brauchwasser inklusive, auch das Holz für die Hütten stammt von Abbruchhäusern) informiert er in liebevoll gestalteten Ausstellungen über die Zerstörung der Natur in der Türkei und weltweit. Nach 3 Jahren „Papierkrieg“ ist Lisinia auch anerkannt als eines der ersten Wildtierzentren der Türkei. Dennoch ist das Projekt nach wie vor das Lebensziel von Sarica.

Unter anderem beherbergt er immer wieder Studenten und Volonteure aus aller Welt, bevorzugt Veterinärstudenten, aber auch alle die sich für Naturschutz interessieren und einsetzen. Auch hat er oft Schulklassen zu Gast und auch Besucher aus dem In- und Ausland besuchen die Anlage.
Nebenbei erforscht er, wie einheimische und alte Tier- und Pflanzenarten den druch die exzessive Landwirtschaft stark bedrohten See schonen können und informiert die Landwirte über weniger gefährliche Insektizide und Herbizide, die oft den Wildtieren mehr schaden als alles andere.

Die Tiere, die man zu Sarica bringt, sind daher sehr oft durch Nahrungsaufnahme vergiftete Raubtiere, aber auch angeschossene oder bei Unfälle verletzte Tiere. Während wir die Gehege betrachten, beäugt uns vom Dach misstrauisch ein Storch: dieser, so erzählt er ums, wurde von ihm gesund gepflegt und wieder ausgewildert – und nun kommt er jedes Jahr wieder und bleibt den Sommer über in der Station, bevor es ihm wieder mit anderen Zugvögeln in wärmere Gefilde zieht.
Neben den Tieren kümmert er sich auch um organische Produktion von Honig und Lavendelöl, der Verkauf der Produkte steuert einen Teil bei, das Projekt am Leben zu erhalten. Als einziger produziert er Salbeihonig, der so intensiv ist, dass er nicht als Brotaufstrich geeignet ist, sondern als Medizin insbesondere bei Erkrankungen der Atemwege hilft. Auch die anderen Produkte wie Kamillensalbe und Pflegeprodukte mit Lavendelöl, die er anbietet, werden selbst produziert und dienen der Erhaltung und Förderung des Projekts.

Sein Projekt „Zukunft ohne Krebs“ ist ihm besonders wichtig, da er beide Grossväter und seinen Vater durch Krebserkrankungen verlor, auch seine Mutter erkrankte an Krebs. Dadurch begann er sich mit Toxikologie zu beschäftigen, denn er ist überzeugt, dass Krebs eine Vergiftungserscheinung und Folge zunehmender Umweltverschmutzung ist.
Auch die Wasserverschwendung durch die Haltung moderner Grossviehrassen bekämpft er auf seine Weise – er informiert über alte und selten gewordene Rassen wie die regionalen Ziegenarten, die wenig Wasser verbrauchen und von dem Leben, was die Region hergibt. Der Burdursee, der einst 200 Meter tief gewesen sein soll, misst inzwischen nur noch 8 Meter Tiefe und wird, so die Befürchtungen, in 50 Jahren verschwunden sein.

Alles in allem ist das – besonders in der Türkei – ein einmaliges Projekt, dass man unbedingt mit einem Besuch unterstützen sollte. Da Sarica für sein Projekt, um unabhängig zu bleiben, keine Spenden annimmt, kann man sich dort mit den natürlich produzierten Waren eindecken und das Projekt so mit am Leben erhalten.
Von Antalya ist es auf jeden Fall in einer Tagesfahrt machbar, besser ist es allerdings, eine Übernachtung am Saldasee einzuplanen. Neben dem Hotel Lago di Salda gibt es auch einen öffentlichen Campingplatz, wo man Bungalows mieten kann.
 

INFORMATIONEN UND ANFAHRT

Lavendeldorf Kuyucak Köyü
(Frauen-Kooperative)

“lavanta kokulu köy”
https://www.facebook.com/keciborlulavantailekalkiniyor/

Ali SAĞDAŞ 05442164196 (nur türkisch)

Anfahrt: https://goo.gl/maps/NaWFLdue1sS2

Hotel Lago di Salda, Yeşilova/Burdur

Telefon +90 248 618 04 80 und +90 532 132 3315 (deutschsprachig)
Ü/F im DZ pro Person ab 125 TL/Nacht.
www.lagodisalda.com

Google maps: https://goo.gl/maps/xRbzmMnw1UH2

Campingplatz am öffentlichen Strand
“Yeşilova halk plajı”
Zeltplatzmiete 30 TL, Bungalow 70 TL

Lisinia Wildtierprojekt
http://www.en.lisinia.com/lisinia-nature
15000 İlyas/Burdur Merkez/Burdur Province, Türkiye
Tel. +90 533 359 3393. (englisch)
Lisinia befindet sich in der Nähe von Karaköy auf der Burdur gegenüber liegenden Seite des Sees. Wenn Sie die Adresse in ein GPS oder ins Smartphone eingeben, werden Sie zuverlässig hingeführt.
 

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